TRAININGS-TIPPS

1. Vom Umgang mit Hunde-Teenagern

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Pubertät und Adoleszenz

von Tina Braun © 2020

Geduld, Management und Training……das sind die „Zutaten“, die jeder braucht, der mit jugendlichen Hunden lebt und/oder arbeitet.
Das Entwicklungsstadium ab der Pubertät bis zum vollen Erwachsensein, also zwischen dem 6. und dem 18.-ca. 24. Lebensmonat (je nach Rasse), wird als Adoleszenz bezeichnet. Das Wort stammt aus dem Lateinischen (adolescere) und bedeutet nichts anderes als „heranwachsen“.
Jedes Alter führt aufgrund Gehirnveränderungen, den hormonellen Entwicklungen und des Körperwachstums zu Verhaltensveränderungen des Hundes. Jetzt geht es um die emotionale und psychische Reifung. Es findet in dieser Zeit ein  „kompletter Umbau des Gehirns“ statt. Sehr vereinfacht ausgedrückt kann man sich das folgendermassen vorstellen: Viele Verbindungsstellen zwischen den Nervenzellen (Synapsen genannt) werden abgebaut und einzelne Nervenzellen werden vergrössert. Die Nervenfasern werden mit einer Biomembran (Myelin) ummantelt. Das sorgt später im Erwachsenenalter einerseits für eine schnellere Reizweiterleitung und verhindert andererseits „Kurzschlüsse“.

Tierärztin Sophie Strodtbeck und Hundetrainer Uwe Borchert schreiben dazu in ihrem Ratgeber «Hilfe, mein Hund ist in der Pubertät!«: „Aus neurobiologischer Sicht entsteht in der Pubertät zeitweilig ein Frontalhirndefizit mit all seinen fatalen Folgen».
Gemeint ist damit, dass der Hund in dieser Zeit zeitweise unfähig ist, seine Impulse zu kontrollieren, da diese Arbeit normalerweise vom Frontalhirn geleistet wird. Er ist absolut überfordert, die Folgen seiner Handlungen abzuschätzen. Manche Hunde regen sich schneller auf, neigen zum Hetzen und Jagen, bellen, haben grosse Mühe, sich zu konzentrieren und sind dementsprechend stark ablenkbar. Der Hund ist also nicht „auflehnend“ aufgrund Streitsucht oder aus freien Stücken! Im Gegenteil, er ist selber mit diesen sagenhaften Prozessen in ihm „am Anschlag“. „Harte Erziehungsmassnahmen“ führen nur zu Frust, Vertrauensverlust und sind völlig kontraproduktiv! Anscheinend ist es bedauerlicherweise die Zeitphase, in der am meisten Hunde in Tierheimen abgegeben werden.

 

Es ist wichtig, dass das tägliche Training – sei es von neuen Dingen, sei es als Wiederholung (Festigung) bekannter Befehle/Signale – weitergeht. Auch, wenn es mehr Geduld und Management braucht! Mentale Stimulation und körperliche Betätigung sind Grundbedürfnisse eines Hundes in jedem Alter. Gerade (!) Hunde-Teenies brauchen beides dringend.
Eine recht neue Studie, die am Messerli Forschungsinstitut an der Vetmed. Uni in Wien durchgeführt wurde, beschäftigte sich erstmals der Frage, wie sich die Aufmerksamkeit bei Hunden über die gesamte Lebenszeit verändert. Die Wissenschaftler um Lisa Wallis stellten fest, dass adoleszente Hunde (Altersgruppe 1-2 Jahre) nach mehreren Wiederholungen ihre Leistung schneller verbesserten als andere Altersgruppen. Die Lernkurve der Pubertierenden ist demnach am steilsten. „Die Pubertät birgt also ein erhebliches Lernpotenzial und große Trainierfähigkeit bei den Hunden“, so Wallis.

Es kann in dieser Zeit gut vorkommen, dass der Hund dasteht und einen nur anstarrt, nach dem Motto: „platz? Was soll das denn sein? Hab ich noch niiiie gehört!“ Alles, was er bereits konnte, hat er plötzlich (!) vergessen? Ja, das ist in Ordnung, es ist Teil dieser Entwicklungsphase und nur ein Anzeichen dafür, dass auf der „Baustelle Gehirn“ gerade fleissig gearbeitet wird!
Training macht Hund und Mensch auch weiterhin Spass, wenn man ein paar kleine Anpassungen beherzigt.

  • Ist der Hund vom Welpen-Alter an gewohnt, dass er mittels Futter bestätigt wird, sollte man das in der Adoleszenz nicht wechseln oder weglassen. Im Gegenteil – in schwierigen „Umbau“-Zeiten darf auch mit speziell feinen „Goodies“ nachgeholfen werden.
  • Die Konzentrationsfähigkeit ist begrenzt. Demzufolge macht es viel mehr Sinn, kleine Lernsequenzen (5 oder max. 10 Minuten) in den Alltag / Spaziergang einzubauen, statt eine Stunde „dranzubleiben“.
  • Wird der Hund nach einigen Wiederholungen fahrig, nervös wird sogar aufmüpfig, weiss man: okay, jetzt ist einiges los „auf der Baustelle“. Man kann ihm dann noch einen kleinen „Erfolg“ mit einem einfachen Befehl verschaffen und hört dann mit der Arbeit auf. Manchmal reicht es, den Hund einfach eine halbe Stunde „ohne Befehle“ herumschnüffeln zu lassen und er ist wieder aufnahmefähig. Manchmal kann man erst am nächsten Tag wieder mit ihm arbeiten.
  • Es ist wichtig, dass der Mensch – trotz allem Verständnis - ruhig aber konsequent ist. Wie oben in der Studie beschrieben wurde… der Hund hat in dieser Zeit eine hohe Lernfähigkeit. Wenn man also zu nachgiebig wird, lernt der Hund schnell, dass er mit „auflehnen“ gewinnt. Es gilt, gut zu beobachten und abzuwägen.
    Beispielsweise hat man den Hund gerade aufgefordert, auf seinen Platz zu gehen und statt wie üblich zu folgen, „spinnt“ er herum und lehnt auf. Dann wissen Sie als informierter  Hundehalter, dass er sich gerade nicht „im Griff“ hat aber sie sollten dennoch auf den einmal gegebenen Befehl beharren. Und wenn der Hund „nur kurz“ auf seinen Platz geht, wird rasch bestätigt und anschliessend direkt freigegeben. So hat man Weitsicht gezeigt, ohne unglaubwürdig zu werden. Dieses Beispiel ist natürlich auf alle möglichen Situationen übertragbar.
  • Und wenn es Tage gibt, an denen gar nichts funktioniert – dann macht man einfach mal „blau“! Wir sind alle nur Menschen. Es macht keinerlei Sinn, mit dem Hund in Konfrontation zu gehen.
  • Als „Pubertäts-Überlebens-Kit“ ist eine ruhige Schlafstelle dringend anzuraten. Geregelte und ausreichende Ruhephasen sind auch in diesem Alter noch von immenser Bedeutung.
  • Kau-Spielsachen wie z.B. ein Kong helfen dem vierbeinigen Freund, den aufgestauten „Baustellen-Stress“ loszuwerden.
  • Mittels „Management“ kann man „vor-organisieren“, wo und wie der Hund seine Bedürfnissen ausleben kann, indem man bereits im Voraus einplant, dass „unerwünschtes Verhalten“ auftauchen könnte(!). Viele halbwüchsige Hunde kommen in dieser Entwicklungsphase im Freilauf plötzlich auf die Idee „keine Ohren“ zu haben oder mal einfach „probehalber“ einen vorbeilaufenden Jogger bellend zu verfolgen. Macht doch Sinn, einfach eine Schleppleine anzubringen und „schwierige Tage“ lieber mit Such- und Schnüffelspielen zu verbringen.

Der Lohn für all die Geduld, das Verständnis, tief Einatmen und Ruhebewahren ist am Ende ein vertrauensvoller, loyaler, souveräner Hundefreund an Ihrer Seite!
SIE SCHAFFEN DAS!

 

2. Training eines Abbruchsignals - Klick aufs Bild, um das Video zu sehen

Titelbild Lass das