Stress bei Katzen

Textauszug Zeitschrift "Geliebte Katze" / Ausgabe Jan. 05
Autorin Martina Braun

Leidet Ihre Katze unter Stress?

Wir reden von „Stress“, wenn ein Lebewesen in körperlicher oder psychischer Weise einer Ueberbelastung ausgesetzt ist. Diese Ueberbelastung äussert sich durch Alarm-Reaktionen – entweder des Körpers und / oder der Seele, also durch ein verändertes Verhalten.

Kurzfristige Stress-Situationen sind im Leben jeder Katze unvermeidbar, wie zum Beispiel aufgrund eines Tierarztbesuches oder bei einer Auseinandersetzung mit Nachbar’s Kater. Doch die Reaktionen auf solcherlei Stress sind nicht unbedingt schädlich. Unter Stress stösst der Körper vermehrt Adrenalin aus und dieses verleiht der Katze eine noch schnellere Reaktionsfähigkeit, die ja schlussendlich in gewissen Situationen der eigenen Unversehrtheit oder gar dem Ueberleben dient. Katzen, die vermehrt Adrenalin ausschütten, haben zumeist runde Pupillen und der Körper ist gespannt wie Pfeilbogen. Es ist ein akutes parat sein auf eine aktuelle Situation und somit durchaus im Sinne der eigenen Erhaltung.

Dauerhaft anhaltende Stressphasen hingegen haben nicht nur eine beeinträchtigende Wirkung auf das Verhalten sondern auch auf die Gesundheit. Endokrine Störungen, vermehrte Tumorenbildung oder eine deutlich vergrösserte Nebenniere sind die körperlichen Folgen. Man nennt dies „Distress“ und bezeichnet damit den negativen, zerstörerischen Zustand, der ein Lebewesen anhaltend an den Rand der Belastbarkeit bringt.

Der zermürbende, krankmachende Stress hat immer zur Folge, dass das Interesse an sich selber und an der eigenen Unversehrtheit, an sozialen Mitgeschöpfen (andere Katzen oder Menschen) und an entsprechenden sozialen Interaktionen verloren geht.

Uebersteigerte Fellpflege, Fellzupfen bis hin zu Selbstverletzung

Die Katze putzt sich extrem viel und ausgiebig über das normale Mass hinaus. Dies kann bis zu kahlen, wunden oder gar verletzten Körperstellen führen. Natürlich gilt es hier, zunächst auszuschliessen, dass es sich nicht um Parasitenbefall, eine Allergie oder andere Krankheitsanzeichen handelt.

Verminderte Fellpflege

Die Katze vernachlässigt sich selber deutlich und putzt und pflegt sich nicht mehr das Fell. Meistens geht ein solches Verhalten mit grundsätzlicher Lethargie und Interessenlosgkeit einher.

Gehemmte Bewegungslust

Die Katze kauert den ganzen Tag an einem Ort, mag nicht herumlaufen und scheint an allem Geschehen um sich herum völlig desinteressiert zu sein. Dass sie „mit ihrer Umwelt abgeschlossen hat“, zeigt das Tier mit recht deutlichen Signalen: sie hält die Augen krampfhaft geschlossen und ihr Gesichtsausdruck wirkt dabei angespannt. Die Ohren weisen schräg nach hinten und meistens werden die Vorderpfoten in „Päckchen-Haltung“ bei rundem Rücken unter dem Körper versorgt. Die Katze hält den Kopf hoch und zieht das Kinn an. Nicht selten sind die Haare dazu am ganzen Körper gesträubt. In der Verhaltenstherapie nennt man diese Anzeichen „cut-off“. Die Katze weist mit allen, ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die (Um-)Welt, in der sie lebt, und von der sie dauerhaft überlastet wird, ab. Es ist „Alarmstufe rot“ und das Tier braucht dringend Hilfe.

Soziale Fellpflege und Abbruch sozialer Interaktionen

Katzen, die sich gestresst fühlen, meiden andere Katzen, wünschen keinerlei Nähe und sind weder bereit, sich von anderen Katzen putzen zu lassen noch von sich aus eine andere Katze mit Fellpflege zu verwöhnen. Im Gegenteil reagieren Stress-Katzen auf jegliche Annäherung einer anderen Katze entweder mit Abwehr oder aber sich weichen aus und probieren, dem sozialen Kontakt zu entkommen. Auch so freundliche kätzische Kontaktaufnahmen wie Fellschnüffeln, gegenseitiges Bäckchen-Bart-Zupfen oder Nasenstüber sieht man bei diesen Tieren nicht.

Man sollte nicht den Fehler begehen, das Wohlbefinden von Katzen an ihrer Spielbereitschaft festzumachen. Denn Spielen gehört zum Verhaltenskreis der Jagd und nicht des Sozialkontaktes. So kann es durchaus möglich sein, dass eine Katze schon sehr lange unter enormen Stress leidet und der Besitzer findet, es gehe ihr garnicht so schlecht, nur weil sie noch immer zu Spielen animiert werden kann.

Verändertes Verhalten

Die Katze reagiert immer häufiger und absolut grundlos mit Aggression. Oder aber sie zeigt panikartige Fluchtreaktionen ohne jeglichen Grund.

Verhaltensabweichungen in der Welpenaufzucht

Kümmert sich eine Katzenmutter nicht um ihre Welpen oder verhält sich ihnen gegenüber zu grob und einfach unadäquat, so sollten die Haltungsbedingungen geprüft werden. Uebermässige Geräuschbelästigung, zu wenig Ruhe und Rückzugsmöglichkeiten, ständiges beobachtet werden können bei der Mutter Stress auslösen und zu Verhaltensweisen führen, die man als „gestörtes Brutpflegeverhalten“ bezeichnet. Ausserdem kommt es unter solch belastenden Umständen häufiger zu Fehlgeburten.

Ein Stress-Anzeichen, das bei Hauskatzen so gut wie nie vorkommt, uns allen aber bestens bekannt ist, nämlich von nicht artgerecht gehaltenen Zootieren, ist die Bewegungs-Stereotypie.

Leider sind hiervon häufig Raubtiere / Katzenartige betroffen. Man versteht darunter das ewige Durchführen von immer gleichen Bewegungsabläufen. Die Tiere laufen rastlos auf und ab und versuchen so, ihren angestauten Bewegungstrieb abzureagieren. Im Gehirn werden durch das Ausführen der immer gleichen Bewegungen sogenannte Endorphine ausgeschüttet. Endorphine sind morphinverwandte Stoffe und haben eine schmerzstillende und gemütsaufhellende Wirkung. Genau aus diesem Grund werden die Tiere nach und nach süchtig danach, diese stets gleichen Bewegungen auszuführen. Bewegungs-Stereotypien sind somit nur sehr schwer behandelbar. Denn auch, wenn sich das Tier nicht mehr in Gefangenschaft befindet sondern ausreichend Bewegungsfreiheit erhält, führt es die Bewegungen weiter aus – wie ein Süchtiger, der von seiner Droge nicht loskommt.

Was tun, wenn man Anzeichen von Stress bei seinem Tier bemerkt?

Abweichungen vom normalen Mass der Fellpflege – sei sie übertrieben oder vernachlässigt – sind als erste Anzeichen für ein gestörtes Wohlbefinden der Katze für jeden aufmerksamen Halter gut und einfach zu beobachten. Sie sollten ernst genommen werden und man sollte sich auf die Suche machen: was stresst die Katze? Gibt es Veränderungen im Hausstand? Herrscht im Moment allgemein eine etwas angespannte Stimmung? Kommt die Katze dadurch im Alltag zu kurz oder findet sie im Gegenteil keine Ruhe? Gibt es neue 4- oder 2-beinige Familienmitglieder? Hat sich das Verhältnis zwischen mehreren Katzen in einem Hausstand geändert?

Die häufigsten Auslöser für Stress bei Katzen sind aus der Erfahrung meiner Praxis:

1.   Momentane Veränderungen im Hausstand, die für keinen der Beteiligten
angenehm sind, aber sicher vorüber gehen. (Einzug / Auszug eines Lebenspartners, Umzug, Scheidungen etc). In solchen Fällen kann man den mitbetroffenen Tieren häufig sehr gut helfen, eine veränderte Lebenssituation anzunehmen, indem sie mit dem homöopathischen Mittel Ignatia behandelt werden. Am ersten Tag alle 2 Stunden 5 Globuli der Potenz D12 direkt ins Maul geben. Mit Verbesserung des Befindens die Gaben vermindern und ausschleichen. Ausserdem sollte man Katzen gerade in hektischen Zeiten eine Rückzugsmöglichkeit bieten und auch akzeptieren, wenn das Tier sich dort zurückzieht.

2.   Grundsätzliche Veränderungen, mit denen die Katze nicht zurecht kommt, wie z.B. eine weitere Katze oder ein Hund, der dazu gekommen ist, ein gestörtes Verhältnis zwischen zwei oder mehreren Katzen in einem Haushalt oder Baby-Familienzuwachs.

Bereits im Vorfeld sollte man sich gut überlegen, ob man dem bereits vorhandenen Tier wirklich eine Freude bereitet, wenn man sich eine weitere Katze anschafft. Die 13-jährige Katze kann sehr gestresst reagieren, wenn plötzlich ein 12-wöchiges Energiebündel ihren Tagesablauf durcheinanderwirbelt. Es kann aber auch die reinste Verjüngungskur sein! Es ist grundsätzlich ratsam, sich beim Züchter oder beim Tierheim eine Probezeit auszubedingen, sodass man im Falle einer „gescheiterten Zusammenführung“ das neue Kätzchen zurückgeben kann. Genauso verhält es sich bei Hunde-Neuzugängen. Selbstverständlich ist es weitaus einfacher, einen Hund, der den Umgang mit Katzen gewohnt ist, in die Familie einzuführen. Kinderzuwachs wird meistens dann zu einem Problem, wenn die Katze zuvor im Mittelpunkt stand und plötzlich zur Seite geschoben wird. Sie will nichts anderes, als weiterhin am Familienleben teilnehmen. Kippt ein bisher gutes Verhältnis zweier Katzen im gleichen Hausstand, so ist es ratsam, beiden Tieren gleich zu Beginn je eine Dosis des homöopathischen Mittels Chamomilla D200 (5 Globuli pro Tier direkt ins Maul) zu geben. Wie wir es von Erkältungen kennen, hat Kamille eine beruhigende, lindernde Wirkung – allerdings in Form einer Hochpotenz auf psychische Sphären. Bei unüberwindbaren Problemen sollte unverzüglich eine Beratung bei einem ausgebildeten Therapeuten / Tierpsychologen eingeholt werden. In manchen Fällen werden Therapien durch Medikamente (Bachblüten, Homöopathie oder gar Psychopharmaka) begleitet und das komplexe Verhältnis zu- und untereinander muss genauestens durchleuchtet werden.

3.   Von Grund auf falsche Haltungsbedingungen (falsche Katze-Katze-Kombination, zu lebhafte Kinder, die der Katze keine Ruhe lassen, keine Zeit für das Tier und in der Folge Vereinsamung).

In solchen Fällen bleibt dem verantwortungsvollen Tierhalter oft keine andere Wahl, als der Katze einen neuen Platz zu suchen, der ihrem Wesen besser entspricht und an dem sie glücklich wird.