Die aggressive Katze Teil 1-3

Textauszug "Geliebte Katze" / Ausgaben Sept., Okt., Nov. 04
Autorin Martina Braun

Wir reden hinlänglich von „Aggression“ wenn sich die Katze uns Menschen gegenüber grob und sprichwörtlich „kratzbürstig“ verhält. In welchem Zusammenhang reagiert die Katze plötzlich aggressiv auf ihren Menschen? Woher kommt diese Angriffs- oder auch Abwehrbereitschaft (selten ist Aggression in reinster Form vorhanden – zumeist handelt es sich um ein Angst-Aggressions-Gemisch) und was kann man dagegen tun?

Im Zusammenleben mit uns Menschen ist das häufigste Erscheinungsbild „kätzischer Angriffe“ die Spielerische Aggression.

Wir ziehen spielerisch die Fellmaus über den Boden, krabbeln mit der Hand unter dem Bettüberwurf oder wackeln mit den Füssen unter der Decke. Und plötzlich wird aus sanften Pfötchenberührungen ein saftiger, blutiger Tatzenhieb und vielleicht folgt auch noch ein nahrhafter Biss. Was ist passiert?

Nun muss man sich darüber im klaren sein: Spiel ist für die Katze: Testen und Einüben des Ernstfalles. Und es geht schlicht und ergreifend darum, Beute zu machen und alle Handlungen, die es dazu bedarf, zu trainieren. Damit die Katze mit uns spielt, müssen wir  natürlich ihren Trieb wecken, Beute zu beobachten, zu belauern, anzupirschen, hinterher zu jagen und am Ende des jagdlichen Ablaufes die Beute zu packen. Hat die Katze erst einmal auf den Reiz „Beute“ reagiert, erliegt sie ihren jagdlichen Trieben. Daher es ist an uns Menschen, diese Spiele entsprechend zu steuern und zu dosieren:

1. Zum Spiel sollte stets ein geeigneter Gegenstand verwendet werden.Selbst, wenn das Kätzchen erst zehn Wochen alt ist, sollte nie mit der blossen Hand gespielt werden. Ist das Kätchen erst erwachsen, hat es gelernt, dass die Hand des Menschen (Ersatz-)Beute ist und wir müssen uns nicht wundern, wenn dieser unser Körperteil dann wie eine Maus behandelt und gebissen wird. Zum gemeinsamen Spiel eignen sich am besten Spielangeln. Am einen Ende der Schnur ist das Spielzeug der Katze und am anderen Ende ein Plastikstab angebracht, mit dem man das Spielzeug in grossen Kreisen schwingen, werfen und heranholen kann, ohne dabei Gefahr zu laufen, mit der eigenen Hand „ins Gefecht“ zu geraten.

2. Zum Spiel- oder besser gesagt Beutefang-Ablauf der Katze gehört: zunächst einmal beobachten: wie verhält sich die vermeintliche  „Beute“? Wie schnell bewegt sie sich? Dann wird, mit zunächst sanften Pfötchen getestet: wie gefährlich oder wehrhaft ist die Beute? Und erst, nachdem sich die Katze davon überzeugt hat, dass sie kein übergrosses Risiko eines Gegenangriffes eingeht erfolgt ein massiver Einsatz ausgefahrenen Krallen.

Somit ist für uns Menschen klar, wann es Zeit wird, die eigene Hand bei sich zu behalten und das Spiel zu beenden. Nämlich bereits dann, wenn der Stubentiger mit noch eingezogenen Krallen „tätschelt“, also austestet, was er sich mit unserem Körperteil so alles erlauben kann. Sollte die Katze im Spiel dennoch einmal die Hand erwischen, so sollte man aufschreien („autsch!!!“) und das Spiel abrupt beenden. Die Katze lernt sehr schnell, dass nur gespielt wird, wenn sie vorsichtig ist und ihre Krallen unter Kontrolle bringt.

1.Nun gibt es unter unseren Hauskatzen aber auch Spezialisten, die sich nicht so leicht in die Irre führen lassen. Statt der Fellmaus am einen Ende der Schnur hypnotisieren sie stur die Hand am anderen Ende der Schnur und warten nur auf eine Gelegenheit, diese mit ihrem „Autogramm“ zu versehen. Auch hier gilt: das Spiel sofort abbrechen, damit die Katze lernt: die Hand, die streichelt und füttert ist kein Beutetier. Bei ganz vehementen „Kampftigern“ sollte man der Katze leicht ins Gesicht blasen, um ihr auf diese Art klar zu machen: „Du! Ich bin in Abwehr! Denn ich mag nicht, was Du da machst.“ Dieser Luftstoss wird von der Katze verstanden. Katzen, die einander anfauchen, spüren auch den Luftstoss des Gegenübers im Gesicht.

2. Anderweitig „strafen“ sollte man die Katze, die im Spiel überbordet, auf gar keinen Fall. Das „Sensibelchen“ könnte Angst bekommen und das Verhältnis zum Menschen könnte kurz- oder auch langfristig schaden nehmen. Und der „Rambo“ würde sich vermutlich nur zu noch mehr Körpereinsatz angespornt fühlen, in der festen Ueberzeugung, es mit extrem „wehrhafter Beute“ zu tun zu haben, der man ganz einfach zeigen muss, was eine richtige Kampfkatze ist!

3. Achten Sie darauf, dass Ihre Katze beim gemeinsamen Spiel keine Angst bekommt. Viele Spielgeräte sind einfach zu gross und wirken auf die Katze bedrohlich. Rückt man der Katze dann noch bei seinen Bemühungen, sie zu animieren, mit dem Spielzeug zu nahe auf den Pelz, kann die Angst der Katze sehr schnell in Abwehr kippen. Sie meint, sich gegen dieses „riesige Stofftier“ wehren zu müssen und schlägt mit Abwehrhieben zu.

Grundsätzlich sollte täglich mit der Katze gespielt werden. Denn häufig handelt es sich bei spielerisch-aggressiven Tieren um Katzen, die viel alleine gelassen werden und keine oder nur sehr wenig Möglichkeit haben, ihre körperlichen Aktivitäten genügend auszuleben. Die Katze mit Hilfe einer Spielangel einige Runden hinter „der Beute“ hinterherjagen zu lassen, bevor man sie „gewinnen“ lässt, macht herrlich müde, denn das Herz-Kreislauf-System dieser „Ansitz-Jäger“ ist lediglich für Kurz-Sprints und nicht für dauerhaft hohe Leistung geschaffen. Abwechslung ist ebenso beliebt. Jeden Tag das gleiche Spiel, bei dem die Fellmaus immer und immer wieder unter der gleichen Kommode Zuflucht sucht, werden bald langweilig. Ein alter Karton, gefüllt mit Seidenpapier. Eine Waschkugel, darin eine Fellmaus geklemmt. Lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf. Eine ausgelastete, glückliche Katze kommt dann auch nicht so schnell in Versuchung, ihre angestauten Triebe an unseren

Zehen unter der Bettdecke auszuleben. Aggressionen dieser Art sind meistens

instrumentell bedingt. Das bedeutet: die Katze hat gelernt, ihre Aggressionen als „Instrument“ einzusetzen. Oder anders gesagt, im Sinne von „aufmerksamkeitsforderndem Verhalten“.

Bei der Frage: „was kann man gegen derlei Angriffe tun?“ sollte man sich als Mensch zunächst einmal überlegen: „wie hat die Katze diese Unart denn gelernt?“ Hat man darüber gelacht, als die Katze noch klein und die Angriffe noch harmlos waren? Dann hat man der Katze das Verhalten damit bestätigt. Oder hat man die Katze dann später, als die Attacken nahrhafter wurden, auch noch unbewusst dafür belohnt, indem man sie in solchen Momenten mit feinen Leckereien abzulenken versucht hat? Dann hat die Katze also gelernt: „diese feinen Käse-Rollis gibt es nur, wenn ich Menschen in die Zehen beisse“.

Es gibt nur einen einzigen Weg, solcherlei Unarten abzustellen: der Zehenbeisser hat ab sofort während der Schlafenszeit striktes Schlafzimmer-Verbot. Denn dadurch, dass wir zwangsläufig

re-agieren und der Katze Beachtung schenken – selbst zu nachtschlafender Zeit - , nämlich mit einem schmerzvollen Aufschrei und raschem Füsse einziehen (wie toll! Die Beute versteckt sich und quiekt herrlich auf!) hat die Katze jede Nacht aufs Neue ihre Unterhaltung. Zugegeben, es wird ein paar recht unruhige Nächte geben, in denen man hart bleiben muss und auf keinen, wirklich auf gar keinen Fall die Türe des Schlafzimmers öffnen darf. Aber diese schlaf-reduzierte Zeit ist befristet und es zahlt sich aus, standhaft zu bleiben.

Ein weiteres Muster der spielerischen Aggression sieht folgendermassen aus:

Die Katze liegt am Boden, spielt mit einem Ball, einer Fellmaus oder irgendwas. Dabei hält sie das Spielzeug mit den Vorderpfoten fest, beisst hinein, lässt sich auf die Seite plumsen, trampelt mit den Hinterbeinen nach dem Spielzeug und rollt sich übermütig von einer Körperseite auf die andere. Es ist schwer, da zu widerstehen und den Moment, an dem das süsse Ränzchen freiliegt, nicht zu erliegen! Doch wer nun meint, die Situation nutzen zu können, um den Bauch der Katze zu kraulen, wird schnell selbst zur Beute und findet sich wieder mit einer im Arm eingekrallten und festgebissenen Katze. Selber schuld – kann man da leider nur noch sagen. Unser Tiger befand sich gerade in einem imaginären Kampf mit einer höchst wehrhaften Beute! Wer da die Hand dazwischen hält, der macht ganz schnell aus dem Spiel Ernst und darf sich nicht wundern, wenn die Katze sich dementsprechend verhält. Die Katze, die auf dem Rücken liegt, präsentiert ihre empfindlichsten Körperteile. Doch in der kätzischen Körpersprache gibt es keine Demutsgebärde, so wie etwa beim Hund. In der Auseinandersetzung mit anderen Katzen gäbe es für die unterliegende Katze nichts, was die gegnerische Katze dazu veranlassen könnte, ihre Angriffe einzustellen. Auf dem Rücken liegend hat die Katze alle Waffen im Einsatz. Und nun gilt es zu kämpfen, bis der Gegner über einem findet, dass es reicht. Und so kämpft die Katze – während wir Menschen vielleicht lachen und sagen „wir raufen doch nur!“ - in Wirklichkeit schon lange derart ernst, als ginge es um ihr Leben!

Zusammenfassung

Gründe für spielerische Aggressionen sind:
Ungenügende Haltungsbedingungen
Mit der Katze wird zu wenig oder falsch ( auf das Tier bedrohlich wirkend)gespielt
Die Katze ist zu viel alleine, hat zu wenig Möglichkeit, ihren Bewegungsdrang auszuleben
Unbewusste Belohnung durch den Halter
Die Katze wird mit Leckerchen abgelenkt und damit für ihre Grobheiten unbewusst belohnt
Fehlende Erziehung
Die Katze hat, durch konsequenten Spielabbruch, nicht gelernt, dass die menschliche Hand kein Spielzeug ist-
Erlernte spielerische Aggression
Der Halter hat der Katze durch „Rauf-Spiele“ Grobheiten gelernt.
Oder die Katze hat gelernt, Grobheiten einzusetzen, um beachtet zu werden (auch negative Beachtung ist Beachtung!)

Was kann man gegen spielerische Aggression tun?
Erziehung
Die Katze lernt durch sofortigen Spielabbruch, dass die Hand des Menschen kein Spielzeug ist.
Im Extremfall bläst man der Katze ins Gesicht (Strafe gleichzustellen mit Fauchen einer anderen Katze)
Vermeiden, Vorbeugen, Verstehen
Die Körpersprache der Katze beobachten und das Spiel abbrechen, bevor die Katze zu sehr in Rage gerät.

Die Katze aus dem Schlafzimmer verbannen, wenn man weiss, dass sie den wackelnden Zehen und der Decke nicht widerstehen kann.
Haltungsbedingungen verbessern
Ausschliesslich mit geeignetem Spielzeug viel spielen. (Auch, wenn mehr als eine Katze im gleichen Haushalt leben!)
Den Kratzbaum variieren, immer wieder andere Spielmöglichkeiten bieten.
Nicht strafen! Fordert die kämpferische Katze noch mehr heraus und verunsichert das schüchterne Tier.
Mit Bachblüten, Homöopathie und Chinesischer Medizin können überschäumende Katzengemüter durchaus positiv beeinflusst werden. Wichtig ist, sich die Zusammenstellung und die Dosierung ganz individuell für das entsprechende Tier von fachkundiger Stelle austesten zu lassen.
So reagieren z. B. Katzen, die grundsätzlich übererregbar sind, auf die kleinste „Einladung“ zu begeistert und enthusiastisch reagieren und Mühe haben, sich richtig zu entspannen, sehr gut auf  die Bachblüte „Vervain“ (Mischungsverhältnis 10 Tropfen auf 10 ml Wasser, im Kühlschrank max. 4 Wochen haltbar; täglich 4 x 4 Tropfen verabreichen)

Ganz ähnlich verhält es sich häufig bei Aggression beim Schmusen und Streicheln. Gerade hat unser süsser Fratz noch geschnurrt und sich genüsslich geräkelt. Und plötzlich schlägt und beisst er zu. Warum nur? Unter Umständen haben wir die Katze an Stellen berührt (wie bei vielen Katzen zum Beispiel am Bauch), die sie nicht schätzt und sie fühlt sich von einer Sekunde zur anderen mehr bedrängt und bedroht als liebkost. Oder wir haben die feinen (Körper-)Signal der Katze nicht beachtet und einfach weiter gestreichelt, obwohl sie bereits energisch mit der Schwanzspitze schwenkte und die Ohren mehr und mehr nach hinten legte. Wir müssen uns immer vor Augen halten: obwohl die Katze einige Sozialformen kennt und hin und wieder pflegt, ist sie im Grunde ihres Naturells hauptsächlich ein Tier mit solitärer Sozialstruktur. Das heisst: Zusammenschlüsse, dauerhaft wie auch zeitlich begrenzt, ergeben sich nur und ausschliesslich auf der Basis der Toleranz. Die eigene Individualdistanz zu wahren, bedeutet im Leben einer Katze im Zusammenhang mit anderen Katzen unter Umständen körperlichen Auseinandersetzungen und damit auch Verletzungen entgehen. Die Katze kann ja nur von ihrer eigenen Welt ausgehen. So ist es nicht weiter erstaunlich, dass sie diese auch auf uns überträgt. Läuft die Katze uns mauzend und mit freudig erhobenem Schwanz entgegen, verstehen wir, dass sie uns begrüsst. Woher soll nun die Katze wissen, dass wir ihre Körpersprache plötzlich nicht mehr verstehen, wenn sie doch unmissverständlich mit zuckendem Schwänzchen gezeigt hat: „es reicht jetzt“. Es ist an uns Menschen, die Körpersprache der Katze richtig interpretieren zu lernen und zu akzeptieren, wenn die Katze gerade keine Lust oder keine Geduld mehr hat. Das beste Rezept heisst immer noch: warten, bis die Katze von alleine kommt. Und akzeptieren, wenn die Katze genug hat und wieder gehen möchte. Festgehalten zu werden, und sei es auch in der Form von Schmusen und an sich schmiegen, löst bei vielen Katzen aufgrund ihres ausgeprägten Bedürfnisses nach Individualdistanz Panik aus. Denn in der Welt der Katzen bedeutet festhalten: „gleich beiss und / oder fress ich Dich“.

Der Liebesbiss der Kater – den im übrigen auch viele Katzendamen praktizieren – ist wohl auch vielen Katzenhaltern bekannt. Während dem Schmusen gerät der Kater derart in Fahrt, dass er in die Hand des Besitzers beisst. Dieser Biss gehört zum Sexualverhalten und ist ganz normal. Damit fixiert der Kater die Kätzin im Genick beim Deckakt. Durch die Domestikation – also die Haustierwerdung – kann es passieren, dass sexuelle Bedürfnisse an unpassenden Dingen oder Lebewesen ausgelebt werden. So gerät der Kater unter unseren Liebkosungen in Extase und – um es menschlich auszudrücken – er „vergisst“, dass wir keine hübsche Katzendame sondern „nur“ ein Mensch sind. Wieder einmal ist vorbeugen alles: man sollte aufhören zu streicheln, wenn es am schönsten ist. Und bevor der Kater zu sehr stimuliert wird. Und wenn man den Moment einmal verpasst, so rät sich, die Hand ganz ruhig zu halten und abzuwarten, bis der Biss sich lockert, was im übrigen in der Regel sehr schnell der Fall ist. Der Kater will uns ja nicht „fressen“ sondern nur für seine Bedürfnisse fixieren.

Eine Situation, die ebenfalls immer wieder Missverständnisse zwischen Mensch und Katze herauf beschwört, gleicht folgender Beschreibung: Der Halter steht in der Küche und macht das Fressen für die Katze parat. Die Katze schmiegt sich an die Beine des Menschen, umgarnt und umschmeichelt ihn, miaut dazu und legt sich so richtig ins Zeug. Der gerührte Mensch bückt sich, will die Katze streicheln  – wird gebissen und versteht die Welt nicht mehr! Die Katze ist doch zu ihm gekommen, er hat sie nicht festgehalten, nicht genötigt. Und dennoch wird er gebissen! Ja sicher. Denn die Katze hat gesagt: „oh ja! Ich habe Hunger und freu mich auf mein Fressen!“ Sie sagte nicht: „streichel mich“. Die ganze Katze ist auf Nahrungsaufnahme (und das steht eben im Kontext mit „zubeissen“) ausgerichtet. Und nicht auf sozialen Körperkontakt.

Ganz ähnlich verhält es sich bei der Umgerichteten Aggression, die sich am besten mit folgendem Beispiel erklären lässt: die Katze sitzt am Fenster und schaut den Vögeln im Freien zu. Dazu macht sie lustige, schnatternde Geräusche. Der Halter läuft vorbei, streichelt die Katze und – kassiert einen saftigen Tatzenhieb. Was nun geschehen ist? Ganz einfach. Die Katze ist ein Ansitzjäger. Ihr wichtigstes Werkzeug, um Beute auszumachen, sind ihre Augen. So jagt die Katze visuell bereits, bevor ihr restlicher Körper überhaupt zum eigentlichen Einsatz kommt. „Schnattert“ die Katze, so beobachtet sie Beute, die aus – was für Gründen auch immer – für sie unerreichbar ist. Doch die ganze Anspannung der Jagd und die Konzentration auf die Beute ist dennoch in der Katze vorhanden. Oder anders ausgedrückt: der Jagdtrieb ist aktiviert, findet aber keinen Weg, ausgelebt werden zu können. Dieser Triebstau sucht sich ein Ventil. Und so reicht eine leichte Berührung, um das „Fass zum Ueberlaufen“ zu bringen und die gestaute Aggression lebt sich am Mensch aus. Das gleiche kann passieren, wenn man eine Katze anfasst, die sich gerade mit einer anderen Katze in einem „wer-kann-länger-anstarren-Duell“ befindet. Der Biss in die Hand, die die Katze in diesem Moment berührt, löst in der Katze die herrschende Anspannung. Man sollte also warten, bis sich der Vogel oder die fremde Katze verzogen und das Gemüt der Katze beruhigt hat, bevor man sie wieder anfasst um sicher zu gehen, nicht versehentlich „zwischen die Fronten“ zu geraten.

Zusammenfassung

Gründe für Aggressionen aus dem Streicheln / Schmusen heraus und umgerichtete Aggression:

Uebersehene Signale
Die Katze hat eigentlich bereits „gewarnt“, aber der Mensch hat dem zu wenig Beachtung geschenkt und seine Streicheleinheiten nicht rechtzeitig eingestellt
Krankheit / Schmerzen
Der Katze tut etwas weh und der Mensch hat die Stelle berührt, ohne es zu ahnen.
Trauma
Der Katze hat eine bestimmte Art, gestreichelt oder berührt zu werden, mit Schmerzen oder Angst assoziiert.
Bedrängnis
Die Art der Streicheleinheiten werden von der Katze einengend und bedrohlich empfunden.
Umgerichtete Aggression
Die Katze geht in dem Moment gerade gedanklich ganz anderen Tätigkeiten nach, ist auf irgend etwas voll konzentriert oder aufgrund einer erlebten Situation noch sehr erregt.
Unbekannte Personen
Die Katze wird von Menschen gestreichelt, die sie nicht kennt, zu denen sie kein Vertrauen hat.

Was kann man gegen Aggressionen aus dem Streicheln / Schmusen heraus und umgerichtete Aggression tun?

Vorbeugen und Verstehen
Die Katze nie zu Nähe und Körperberührungen zwingen. Sie nicht festhalten. Abwarten, bis die Katze von alleine Nähe sucht. Akzeptieren, wenn sie genug davon hat. Und beobachten, ob sie uns mit Schwanzpeitschen oder anderen Signalen deutet: es reicht jetzt.
Akzeptieren
Es gibt Katzen, die menschliche Streicheleinheiten nicht schätzen und durchaus darauf lieber verzichten. Bei diesen Katzen muss man Nähe einfach in der Relation betrachten. Liegen solche Katzen nämlich auf dem benachbarten Sessel, wenn wir Fernsehen schauen, ist dies schon ein gewaltiger Vertrauensbeweis und sollte auch als solcher von uns Menschen gewertet und empfunden werden.
Zusammenhänge vorausschauend erkennen
Ist die Katze gerade in Spiellaune, hat Hunger oder ist von einem erlebnisreichen Tag müde und schläfrig? Mit ein wenig Einfühlungsvermögen kann man nachvollziehen, dass dann Streicheln nur lästig wäre, denn die Bedürfnisse sind in dem Moment seitens der Katze ganz anders gelagert. Geduld üben
Ist die Katze gerade gedanklich im Jagdfieber und beobachtet Vögel hinter der Scheibe, befindet sich in einer „Diskussion“ mit einer Mitkatze oder kam sie gerade angespannt und erregt heim, dann sollte man warten, bis sich das Katzengemüt beruhigt hat. Die Katze steht jetzt unter Adrenalineinfluss und hat wilde, runde Pupillen. Sie braucht ein wenig Zeit, um die Anspannung, die sie vermutlich nicht ausleben konnte, loszuwerden.
Reflektieren
Und wenn man eines der fein nuancierten Signale der Katze einmal übersehen hat und einen Tatzenhieb einkassiert hat, sollte man der Katze nicht schmollen sondern überlegen, was wohl falsch gelaufen ist und sich die Situation für die Zukunft merken.
Mit Bachblüten, Homöopathie und Chinesischer Medizin können überschäumende Katzengemüter durchaus positiv beeinflusst werden. Wichtig ist, sich die Zusammenstellung und die Dosierung ganz individuell für das entsprechende Tier von fachkundiger Stelle austesten zu lassen.
So reagieren z. B. Katzen, die grundsätzlich keinerlei Berührung dulden und panisch reagieren, kaum werden sie angefasst, gebürstet oder auch nur leicht festgehalten sehr gut auf die Bachblüte „Walnut“ (Mischungsverhältnis 10 Tropfen auf 10 ml Wasser, im Kühlschrank max. 4 Wochen haltbar; täglich 4 x 4 Tropfen verabreichen)

Ist die Katze gegenüber ihren Menschen aggressiv aufgrund Krankheit und / oder Schmerzen, man nennt dies pathophysiologische Aggression, so ist es für uns wohl am einfachsten, dafür Verständnis aufzubringen. Sofern wir wissen, dass die Katze Schmerzen hat! Katzen sind schwierige Patienten, denn häufig erkennt man erst, dass es ihnen nicht gut geht, wenn es schon recht arg um sie bestellt ist. Oft sind es nur ganz unscheinbare Dinge, die verraten, dass da was nicht stimmt. Die Haare stehen ein wenig, das Fell ist nicht ganz so schön und glänzend wie sonst. Die Katze begrüsst einen nicht oder zieht sich in einen ruhigen Winkel zurück. Sie hat keinen Appetit oder einfach nur nicht ganz so strahlende Augen. Geht man nun auf die Suche, was mit dem Tier los sein könnte, muss man damit rechnen, dass irgendeine Körperpartie schmerzt und die Katze unter Umständen ungehalten, ablehnend bis aggressiv bei Berührung reagieren könnte.

Die häufigsten Ursachen für pathophysiologische Aggressionen sind Infektionskrankheiten jeglicher Art (Schnupfen, Blasen- / Nierenentzündungen, Magen-/Darminfektionen etc), Arthrose, Gelenkserkrankungen, schmerzhafte Ohr- oder Zahn- / Zahnfleischentzündungen, Tumore, FUS, Epilepsie, neurologische Störungen, aber auch Parasitenbefall, Verstopfung der Analdrüsen (dies kann so schlimm sein, dass die Katze Mühe hat, den Kot abzusetzen oder sogar Schwierigkeiten beim Laufen und Springen hat), Vergiftungen und vieles mehr.

Bei manchen Katzen reicht eine Verstopfung aus, um recht launisch und ungehalten zu reagieren. Das hat im Leben der Katzen wohl auch seine Berechtigung, denn kranke Tiere werden von fremden Katzen nicht unbedingt mit Samthandschuhen angefasst. Man vermutet, dass kranke Tiere verscheucht, angegriffen, sicher aber auf Abstand gehalten werden, um das Risiko einer Ansteckung zu vermeiden. Denn interessanterweise reagieren Katzen auf „nur“ verletzte (aber nicht erkrankte) Artgenossen weitaus toleranter, manchmal durchaus fürsorglich.

So ist der mögliche Behandlungsweg klar: der Weg führt zum Tierarzt, um eine genaue Diagnose zu erstellen und eine entsprechende Behandlung einleiten zu können. Fällt es uns Menschen bis zur Genesung der Katze auch noch so schwer – wir möchten sie ja gerne pflegen, bemuttern, trösten und verwöhnen – so bleibt uns nichts anderes übrig, als das Tier in Ruhe zu lassen, bis die Schmerzen nachlassen und es wieder bereit ist, sich von uns streicheln und anfassen zu lassen.

Für Katzen, die sich während einer Krankheit total zurückziehen und keinerlei Anschluss mehr an das Familienleben suchen, haben sich Bachblüten „Water Violet“ gut bewährt (Mischungsverhältnis 10 Tropfen auf 10 ml Wasser, im Kühlschrank max. 4 Wochen haltbar; täglich 4 x 4 Tropfen verabreichen)

Nicht unerwähnt sollte an dieser Stelle bleiben, dass es eine weitere Art der Aggression gibt, die man in Fachkreisen „idiopathische Aggression“ nennt. Katzen, die unter dieser Störung leiden, greifen Familienmitglieder aus absolut unerkennbaren Gründen an und die Angriffe passen in keines der bisher genannten Schemata. Dabei sind die Angriffe ausserordentlich boshaft und vehement, verursachen wirklich schlimme Verletzungen, treten absolut spontan auf und es gibt keinerlei erkennbaren Aussenreiz, der als Auslöser hätte fungieren können. Betroffene Halter beschreiben derlei Katzen immer mit den Worten: „die Katze war nicht mehr sie selber“ und sind zutiefst über die Heftigkeit der Aggressionen erschüttert. Zum Glück sind hiervon nur wenige Katzen betroffen, denn bisher gibt es keinerlei zuverlässige Behandlungsmöglichkeiten. Versuche, der Katze reichere Haltungsbedingungen zu bieten, ihr vielseitige Spiel- und Austob-Möglichkeiten anzubieten und sie mit Alternativen Heilmethoden zu erleichtern, führen langfristig leider selten zum Erfolg und die Gründe für diese Veranlagung sind bisher weitestgehend unerforscht.

Aggression aufgrund Trauma oder aufgrund fehlender Sozialisierung

Der Unterschied dieser Aggressionsformen liegt selten in der Auswirkung des Verhaltens als vielmehr in der Behandlungsmöglichkeit. Katzen, die ein Trauma erlebt haben und aus diesem Grunde aggressiv gegen Menschen und / oder jegwelche menschliche Annäherung reagieren, kann auf vielerlei Art geholfen werden. Da die Katze eine ausserordentlich schnelle und gute Auffassungsgabe hat, greifen schlechte Erfahrungen oftmals tief, auch wenn es sich um nur ein einziges Erlebnis handelt. Die Katze hat also aufgrund Erfahrung gelernt: Menschen sind böse, tun weh oder ähnliches. Nun gilt es, das Tier zu desensibilisieren und um zu konditionieren. Die Katze muss lernen, dass das, was sie unter dem Kapitel „Mensch“ gelernt hat, nicht (mehr) stimmt. Oder nicht für alle Menschen zutrifft. Die positiven Erfahrungen müssen also das negativ Gelernte überlagern. Dieser Prozess erfordert vom Halter viel Geduld, Einfühlungsvermögen und oftmals viel Zeit. Egal, in welcher Weise auf die Katze zugegangen wird, sie darf niemals Angst verspüren, sich in die Enge gedrängt fühlen oder zur Gegenwehr veranlasst sehen. Jegliche Aktivität und Annäherung sollte von der Katze ausgehen. Dabei ist im Extremfall sogar direkter Augenkontakt zu vermeiden. Grundsätzlich sollten Desensibilisierungs-Therapien von kompetenten Heimtierberatern oder Tierpsychologen begleitet und es sollte ein detaillierter, individueller Therapieplan gemeinsam mit dem Halter erarbeitet werden. Als begleitende Massnahmen werden oftmals alternative Heilmethoden, wie Bachblüten, Homöopathie, Chinesische Kräuter-Medizin, Akupunktur, Reiki, Kinesiologie etc eingesetzt. In schwerwiegenden Fällen ist es manchmal unvermeidbar, psychoaktive Medikamente einzusetzen. In weitaus harmloseren Fällen reicht manchmal sogar der Einsatz von Feliway-Adaptern. Diese Stecker, die – ähnlich wie Anti-Stechmücken-Adapter – zu Hause in die Steckdose gesteckt werden, geben kontinuierlich den Duft des Gesichtspheromons der Katze frei und haben eine beruhigende, positive Wirkung auf das Tier. Aus Erfahrung in diversen Einsätzen hat sich gezeigt, dass die Wirkung am ehesten bei der Katze „ankommt“, wenn dazu eine Steckdose verwendet wird, die

  1. nicht höher als 50 cm über dem Boden ist und
  2. sich in dem Raum befindet, der am meisten von der Katze genutzt wird.

 

Ist eine Katze aufgrund fehlender Sozialisierung gegenüber Menschen aggressiv, so ist damit in der Regel gemeint, dass sie keinerlei Annäherung duldet, ohne mit Abwehrverhalten zu reagieren.

Während der sensiblen Phase (rund 3. bis 12. / 14. Lebenswoche) hat die Katze keinerlei Erfahrung mit Menschen machen können und diese Zeit ist leider nicht nachholbar. Was in dieser Zeit unbekannt bleibt, wird ein Leben lang Unsicherheit verursachen. Zu vereinzelten Menschen kann durchaus ein einigermassen vertrautes Verhältnis entstehen. Aber es betrifft dann lediglich diesen Menschen und nicht „die Menschen an sich“. So kennen wir viele Berichte von liebevollen Katzenfreunden, die jahrelang täglich Katzen füttern, sie auf gemütlich eingerichteten Liegeplätzen auf der Terrasse ruhen lassen oder sich darauf beschränken, in einiger Entfernung der Katze freundlich zuzublinzeln, ohne dass sie je die Möglichkeit gehabt hätten, das Tier anzufassen. Wie weit das Vertrauensverhältnis auch gedeihen mag, es ist immer abhängig von der Toleranz und des Einfühlungsvermögens des Katzenfreundes, der einfach akzeptiert, dass „diese Katze nun mal so ist“.